Sergey Bratkov

Wiepersdorf (for Artist Friends) (2023)

Sommerkäfer werden zu russischen Soldaten, die in Schützengräben laufen. Linien aus weißem Pulver stehen für Spuren im ewigen russischen Schnee. Ein vertrautes Lied aus den 1970er-Jahren über die Wolga begleitet melodramatische Posen in einem selbst gedrehten Musikvideo. Sergey Bratkovs Wiepersdorf ist ein Videotagebuch, das in die düster-ironische Gedankenwelt eines ehemaligen Bürgers der Sowjetunion eintaucht.

Der Film ist Teil einer wachsenden Gruppe ähnlicher Arbeiten, die in DIY-Ästhetik kurze, fast fotografische Handyvideos mit Textfragmenten, Liedern und Voiceovers kombinieren. Bratkov schuf ihn als Ersatz für eine gemeinsame Sprache, als Mittel, um mit seinen Nachbar:innen zu kommunizieren – wesentlich jüngeren Kolleg:innen, denen er in einer Künstlerresidenz auf Schloss Wiepersdorf begegnete. Dieser geschichtsträchtige Ort war einst das Anwesen von Bettina von Arnim, einer Schriftstellerin der Romantik und Menschenrechtsaktivistin, und bot später von den Nazis verfolgten Künstler:innen Zuflucht.

Sergey Bratkov (1960, Charkiw, Ukraine) ist ein bildender Künstler, der mit Malerei, Fotografie, Installation, Video und Performance arbeitet. In seinen Werken kombiniert er oft verschiedene Elemente des „Volkskitsches“, der nach dem Zusammenbruch der UdSSR entstanden ist, zu absurden und melancholischen Alltagscollagen. Nach der russischen Invasion der Ukraine verließ Bratkov Moskau, wo er an der Alexander-Rodtschenko-Schule für Fotografie und Neue Medien lehrte. Mithilfe des Artist-at-Risk-Programms zog er 2022 nach Deutschland und setzte seine Karriere dort fort. Bratkov lebt in Berlin.

In Auftrag gegeben und produziert von steirischer herbst ʼ24

HD-Video, Stereoton, 12:43 min

In Auftrag gegeben und produziert von steirischer herbst ʼ24