Horror Patriae Ausstellung
Kammer der unwahrscheinlichen Patriot:innen

Jede Region und jedes Land hat Dichter:innen, Schriftsteller:innen oder Künstler:innen, die es als nationale Ikonen verehrt – ungeachtet ihrer inneren Widersprüche. Aber Österreich hat zu jeder Zeit seiner Geschichte eine Kohorte von Schriftsteller:innen und Künstler:innen gekannt, deren Haltung zu ihrer Heimat radikal kritisch, fast schon Abscheu vor ihr war. Diese Figuren, von Karl Kraus (1874–1936) bis Elfriede Jelinek (geb. 1946), gehören zu den international bekanntesten Vertreter:innen der österreichischen Kultur.

Auf lokaler Ebene wird Peter Rosegger (1843–1918) als der steirische Schriftsteller schlechthin gefeiert. Geboren in Armut und als Analphabet in einem abgelegenen Bergdorf aufgewachsen, war er ein Selfmademan, der sich selbst das Lesen und Schreiben beibrachte. Die Rechte feierte ihn als Heimatdichter, die Linke bewunderte seine pointierte Gesellschaftskritik. Im Jahr 1913 wurde Rosegger für den Nobelpreis nominiert. Die Auszeichnung ging schließlich an den bengalischen Dichter Rabindranath Tagore (1861-1941), der damit als erster Nichteuropäer überhaupt diese Ehre erhielt. Die Entscheidung gegen den steirischen Autor könnte durch die Lobbyarbeit slowenischer und tschechischer Intellektueller beeinflusst worden sein. Sie kritisierten Rosegger für seine Unterstützung der Germanisierungspolitik in den slawischsprachigen Teilen der Habsburgermonarchie, wo der Deutschunterricht Pflicht und andere Sprachen verboten werden sollten.

Im Gegensatz zu Rosegger schien Thomas Bernhard (1931–1989) das Gegenteil eines Patrioten zu sein. Nur wenige Schriftsteller haben den österreichischen Provinzialismus, seine postimperialen Ambitionen und seinen Heimatbegriff so kritisch gesehen. Doch wie sich herausstellte, hielt sich Bernhard in seltsamen Gefilden auf, die an das Leben eines konservativen österreichischen Landadeligen erinnern. War sein Zorn in Wirklichkeit eine Form von Patriotismus?