Horror Patriae Ausstellung
Station der wilden Fantasien

Die Faszination für die vermeintlich „wilde“ Exotik anderer Kulturen und Gegenden zieht sich durch die europäische Geschichte. Regionalmuseen wie das Joanneum sammelten exotische Artefakte und seltene Präparate aus der ganzen Welt. Diese Faszination – mehrere Beispiele aus verschiedenen Epochen sind in diesem Raum zu sehen – wurde oft durch Naivität, Ignoranz und Rassismus befeuert.

Allerdings wurden nicht nur ferne Kulturen zu Objekten vorsichtiger – oder unvorsichtiger – Konstruktionen des Andersseins. Mit dem zunehmenden Interesse an der Volkskunde im 19. Jahrhundert beschäftigte sich das lokale Bürgertum in ganz Europa mit folkloristischen Fantasien (manchmal sogar auf der Grundlage von Forschung) und projizierte seine eigenen kulturellen und politischen Ideale auf ein Volk, das es womöglich kaum kannte.

Um dieser Welt ein Denkmal zu setzen, änderte Viktor Geramb (1884–1958), der 1913 die Volkskundeabteilung (später Volkskundemuseum) des Joanneums begründete, die museale Praxis radikal. Sein Museum, das sein lebenslanges Projekt war, sollte keine Sammlung attraktiver Objekte sein und wurde daher nie als Museum für Volkskunst bezeichnet. Stattdessen verstand Geramb es als ein Gesamtkunstwerk, eine theatrale Installation, die ein imaginäres einfaches christliches Leben zeigte, dessen Szenografie – teils real, teils nachgebaut – wichtiger war als seine kleinen, oft bescheidenen und eintönigen Elemente. Sein noch größerer Traum war es, den gesamten Schloßberg in ein Potemkinsches Dorf des idealisierten Landlebens zu verwandeln.

Gerambs Nachfolger als Museumsdirektor wurde sein jüngerer Kollege Hanns Koren, der später zu einem bedeutenden steirischen Politiker wurde. Vor die große Aufgabe gestellt, die Identität des Landes nach der NS-Zeit zu konstruieren, machte er das Lokale – mit den fast ausschließlich ländlichen Assoziationen der Volkskultur – zu seiner klaren Priorität. Dies hat in der Steiermark bis heute Bestand. Koren plante ein Erzherzog-Johann-Gedenkjahr, um den aufgeklärten, quasiliberalen Nationalismus des Erzherzogs zum Vorbild für die Einheimischen zu machen. Ein riesiger Festumzug, der für dieses Ereignis 1959 organisiert wurde und in diesem Raum als Diashow gezeigt wird, demonstrierte die landwirtschaftlichen und kulturellen Errungenschaften der Region, wobei Tirol und das umkämpfte Südtirol (nach dem Zweiten Weltkrieg Teil Italiens) als Ehrengäste teilnahmen. Die volkstümlichen und historischen Bezüge – einige Kostüme wurden aus einem Manuskript aus dem Jahr 1568 kopiert – mögen auf die städtische Bevölkerung der Nachkriegszeit exotisch und rätselhaft gewirkt haben.